Christiane (AT), 42, Personalberaterin, Wien/Österr.

23.05.2020

"Was die Coronakrise anbelangt, habe ich überhaupt keine Angst. In Österreich gibt es den Spruch: 'Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben'."

Ich war nicht überrascht von dem Lockdown, aber sehr über die Art und Weise, wie die Menschen damit umgingen. Die Hamsterkäufe habe ich live erlebt, da ich für meine Mutter, die zur Risikogruppe zählt, gerade einkaufen war. In der Schlange stehend, beobachtete ich, wie eine junge Frau vier Päckchen mit Aufbähbrot hamsterte. Als ich nach dem letzten greifen wollte, schnappte sie sich auch dieses, grinste mich an und meinte "Sorry". Ich war perplex, denn ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie eine derartige Raffgier und einen solchen Egoismus erlebt. Als ich nach Hause kam, klebte ein Zettel an der Aufzugstür. Ein junger Mann schrieb, dass er für alle, die sich nicht mehr hinaustrauen, Erledigungen mache, man müsse ihn nur anrufen oder den Einkaufszettel oder Rezepte in den Postkasten werfen. Diese sehr unterschiedlichen Reaktionen - Egoismus und Fürsorge - überraschten mich.

Was die Arbeit unser Regierung anbelangt, ist es natürlich immer leicht im Nachhinein, Kritik zu üben. Ich glaube aber, dass es nicht notwendig war, das Land so lange zu lähmen. Was mir am meisten Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass sich die österreichische Regierung im Schnellverfahren quasi uneingeschränkte Macht verliehen hat. Und wir wissen aus der Geschichte, dass Menschen ihre Macht nicht mehr so leicht hergeben. Der österreichische Bildungsminister zum Beispiel könnte jederzeit unter Umgehung aller geltenden Gesetze die schulischen Sommerferien aufheben. Wenn das im schulischen Sektor schon so ist: Was darf der Innenminister, der Bundeskanzler momentan?

Meine Kinder (21,18) und der französische Freund meiner Tochter (25) leben bei mir. Zu Beginn der Quarantäne putzten wir, machten Sport via Onlinekurse, ich war auf Home Office gesetzt. Nach drei Wochen gehörte ich zu den Schlüsselarbeitskräften, da ich für das AMS die Anträge auf Kurzarbeit erfassen musste. Schnell arbeitete ich mehr länger als vor der Quarantäne.

Am meisten vermisste ich die Normalität des menschlichen Miteinanders. Sich an einem lauen Frühlingstag im Gastgarten treffen, rundherum das Geplaudere der anderen Menschen. Sich umarmen. Die Familie treffen, zusammensitzen. Meine Freunde, meine Familie angreifen zu dürfen, eine Hand zu halten, eine Wange zu streicheln. Dieser fehlende reale Kontakt zu meinen Freunden und meiner Familie machte mich leicht depressiv, wobei das viele Arbeiten eine gute Ablenkung war.

Was die Coronakrise anbelangt, habe ich überhaupt keine Angst. In Österreich gibt es den Spruch: "Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben". Zum Einen schätze ich die Gefahr, die mir von dem Virus droht, als gegen Null gehend ein. Ich verschwende nicht einmal einen Gedanken daran. Ich habe meinen Job nicht verloren, wurde auch nicht auf Kurzarbeit gesetzt, dafür bin ich sehr dankbar. Die einzige Angst, die ich habe, ist, dass die Grenzen zu Frankreich nicht schnell genug wieder geöffnet werden, da meine Tochter in diesen Tagen mit ihrem Freund in sein Land ziehen wird.

Beruflich hatte der Lockdown die Auswirkung auf mich, dass ich mehr als vorher gearbeitet habe. Das war aber für mich kein Problem, denn ich wollte meinen Teil zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Wenn durch mein schnelles Arbeiten (ich gab mir Mühe, rasch zu sein) einige Unternehmen früher und flotter zu ihrer Kurzarbeitsbeihilfe gekommen sind, dann war es den Stress wert. Ich hoffe es jedenfalls.

Insgesamt kann ich der Krise auch viel Positives abgewinnen: den Wert des menschlichen Kontakts, die Erkenntnis (wieder einmal!), dass Kaufen nichts ersetzen kann, die Einsicht, dass ich wenig zum Leben brauche, das Wertvolle eines Treffens mit geliebten Menschen, das Beruhigende von unbekannten Menschen in einer normalen Gasthaussituation.

Ich hoffe, dass ich meinen Enkelkindern eines Tages Folgendes erzählen werde: "Meine Lieblinge, es war eine schockierende Situation für uns, wir konnten nicht mehr einkaufen, wir konnten nicht mehr essen gehen, wir konnten nicht mehr reisen. Wir waren in unserem eigenen Zuhause gefangen. Aber dann geschah etwas Wunderbares: Wir entdeckten, dass wir gar nicht einkaufen, essen gehen und reisen mussten, um glücklich zu sein. Sondern wir fanden heraus, dass wir dafür bloß viel Zeit mit unseren Kindern und Partnern verbringen brauchten. Und wir erfuhren, wie es ist, räumlich und körperlich von unseren anderen geliebten Menschen getrennt zu sein. Diese Erfahrung hat uns gelehrt, was wirklich wichtig ist im Leben."

I was not surprised by the lockdown itself, but very much by the way people dealt with it. I was able to witness the panic purchases at first hand when I was shopping for my mother, who belongs to a risk group. Standing in line, I watched a young woman stockpiling four packets of pre-baked long life bread. When I wanted to reach for the last one, she grabbed it, grinned at me and said "sorry". I was perplexed, because I had never experienced such greed and selfishness in my whole life. When I got home, a note was stuck to the elevator door. A young man had offered to help those who no longer dared to go outside, all they had to do was call him or put their shopping list or prescriptions into his mailbox. These very different reactions - selfishness and care - surprised me.

Regarding the Austrian government's performance, it is of course always easy to criticize in retrospect. But I don't think it was really necessary to paralyze the country for so long. What worries me most is the fact that the Austrian government has lent itself almost unlimited power via the legislative fast-track. And we know from history that people are not willing to give up their power so easily, once they have it. The Austrian Minister of Education, for example, could cancel the entire summer school holidays at any time, bypassing all applicable laws. If this is already the case in the school sector: what are the Minister of the Interior, the Chancellor, currently allowed to do?

My children (21 and 18) and my daughter's French boyfriend (25) live with me. At the beginning of the quarantine, we cleaned the apartment, did sports via online courses, I was working remotely from my home office. After three weeks I became one of the key employees because I had to record the requests for short-time work for the Austrian employment agency. I quickly worked longer hours than I had before the quarantine.

What I missed most was the normality of human interaction. To meet in a street café on a mild spring day, hearing other people chatting all around you. To hug. To meet the family, spend time together. To be allowed to touch my family, my friends, to hold a hand, to stroke a cheek. This lack of real contact with my friends and family made me slightly depressed, although having to work so much was a good distraction.

I'm not at all afraid of the corona crisis. In Austria there is a saying: "If you've died from fear, you're also dead". On the one hand, I estimate the danger that the virus poses to me personally as nearing zero. I don't even think about it. I have not lost my job or been put on short-time work, for which I am very grateful. The only fear I have is that the French borders will not be reopened quickly enough, as my daughter will be moving to her boyfriend's country with him these days.

Professionally, the lockdown had the effect that I had to work more hours than before. But that did not pose a problem for me because I wanted to do my part to improve the situation. If my fast work (I really made an effort to be quick) enabled some companies to get their short-time work allowance earlier and faster, it was worth the stress. I hope so anyway.

Overall, I can also derive a lot of positive things from the crisis: the value of human contact, the realization (once again!) that buying random stuff cannot replace anything, the insight that in fact I need little to live, the value of being with loved ones, how reassuring it is to see entirely unknown people in normal situations, such as a restaurant.

I hope that one day I will tell my grandchildren the following: "My darlings, it was a shocking situation for us, we could no longer go shopping, we could no longer go out to eat, we could no longer travel. We were trapped in our own homes. But then something wonderful happened: We discovered that we didn't have to shop, eat out, and travel to be happy. We found out that all we had to do was spend a lot of time with our children and partners. And we experienced what it is like to be geographically and physically separate from our other loved ones. This experience taught us what is really important in life."